Grundlagen

 

Schmerz ist eine komplexe Sinneswahrnehmung, die im Rahmen akuter Prozesse den Charakter eines biologisch sinnvollen Warn- und Leitsymptoms aufweist, diesen jedoch mit zunehmender Beschwerdedauer zunehmend verlieren, sich verselbständigen und letztlich in ein eigenständiges Krankheitsbild - das chronische Schmerzsyndrom - mutieren kann, welches - mittlerweile anerkannt und mit eigener ICD-10 Kodierung versehen - einer entsprechend qualifizierten Behandlung bedarf.

Der Komplexität von Prävention, Kuration, Rehabilitation und Palliation chronischer Schmerzen werden die bestehenden bzw. bislang etablierten Versorgungssysteme nur unzureichend gerecht. Trotz immer umfangreicherer politischer wie medizinischer Bestrebungen zur Lösung dieses Problems und immer stärker reglementierter Behandlungsempfehlungen und entsprechender Leitlinien steigt die Zahl der chronisch Schmerzkranken in Deutschland, wie auch den Industrienationen der westlichen Welt, kontinuierlich an. Ursache sind u.a. vorwiegend ursachenorientiert bzw. indikationsbezogen formulierte, primär auf den universitären Erfahrungen mit Akutschmerzsituationen beruhende Ausbildungs- und Behandlungskonzepte.

Angesichts der kontinuierlich zunehmenden Zahl chronisch und vielfach erkrankter Schmerzpatienten ist nicht nur die Sicherstellung des Ineinandergreifens der individuellen Behandlungsprozesse und Versorgungssektoren von besonderer Bedeutung, sondern insbesondere auch die Optimierung einer, den individuellen Besonderheiten des Einzelfalles gerecht werdenden Versorgungslandschaft, die allen Beteiligten eine uneingeschränkte Fokussierung auf das Wesentliche – eine individualisierte, vollumfängliche und multimodale Versorgung – ermöglicht, um betroffenen Patienten möglichst rasch die maximal mögliche – im Idealfall vollständige – Wiederherstellung ihrer körperlichen und seelischen Unversehrtheit zu ermöglichen.

Insbesondere hinsichtlich der Bemühungen zur flächendeckenden Umsetzung standardisierter Versorgungskonzepte entwickelten sich die sog. „Evidence-based medicine“ (EBM) und EBM-basierende medizinische Leitlinien zu einem Kerninstrument zur Förderung von Qualität und Transparenz der medizinischen Versorgung. Entsprechend der Definitionen von Sackett et al. (Sackett DL, et al. Evidence-based medicine: How to practice and teach EBM. London: Churchill-Livingstone, 2000) sollen im Rahmen der DGS PraxisLeitlinien Schmerztherapie alle drei Komponenten der „evidence-based medicine“ vollumfänglich berücksichtigt werden:

“Evidence-based clinical decision making involves integrating three primary sources of information:
the best available external clinical evidence gathered from systematic clinical research, individual clinical expertise (consisting of practitioner proficiency and judgment, as acquired through clinical experience and clinical practice), and individual patient values and expectations.”